Vieles

Liebe Freunde,

ich bin bei km-Stand 10220. Heute ist der 1011 Tag. In Tabriz bin ich gestern zu Fuss angekommen.
Nach 207 km in 12 Tagen (wobei ich 2 Tage davon nicht gelaufen bin) ist jetzt erst mal 4 Tage Pause angesagt.
Kleinigkeiten muessen organisiert werden.
Die Route muss ausgeguckt werden. Wahrscheinlich Richtung Teheran, aber es gibt auch eine andere Variante.
Karten mit besserem Massstab muessen gekauft werden.
Vielleicht krieg ich auch neue Sandalen, die alten sind nach Schusterangaben in Gori (Ende August), Georgien, schon lange hin. Haben aber wider Erwarten doch noch weitere mindestens 1000 km ihre Dienste verrichtet. Die Sohle loest sich schon stellenweise auf. (In Armenien gibt es gar keine Sandalen)
Weitere Flyer in english und farsi sind kopiert, muessen noch mit der Schere bearbeitet werden.
Und es muss mal wieder gewaschen werden. An der Autobahn entlang mueffeln die Klamotten halt etwas schneller.

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Vor ein paar Tagen hat Kenneth auf seinem Facebook account berichtet, dass ich ueberwaeltigt bin von der Gastfreundschaft hier im Iran/Persien
Da hab ich mal etwas nachgespuert…
Es ist nicht die reine Gastfreundschaft und das Willkommen-Sein, das Helfen Wollen usw.
Das was mich total begeistert ist die wunderbare Herzqualitaet der Iraner, besser gesagt, derer, denen ich begegnet bin. Da schwingt so eine wunderschoene Energie mit, reife Herzen, angefuellte spirituelle Herzen, die geben wollen, die sind, Worte die aus den Herzen sprechen, Freundlichkeit, die aus den Herzen kommt …..

Und irgendwie hab ich es vorher gewusst. Ich habe schon in Deutschland mal hier und da Iraner kennengelernt, und war immer, fast immer, nachmal voellig ueberrascht, von einer besonders feinen Schwingung, die von diesen Menschen ausging. Wenn ich hier im Iran beschreibe, was ich vorher ueber die Iraner gedacht habe, dann sind das in etwa folgende Worte.
Ich empfinde die Iraner/Perser, als besonders intelligent, geschickt und vor allem, sie haben so eine feine Schwingung, die aus ihren Herzen, aus ihrem Wesen kommt.
Diese Reise sollte immer durch den Iran gehen, und ich habe oft gesagt, wenn ich nicht durch den Iran gehen kann, dann ist diese Reise irgendwie nicht komplett. Jetzt bin ich da!

Das Leben hier als Nicht-Tourist ist hier ganz bestimmt nicht immer einfach und ich hab auch schon zu verschiedenen Menschen hier gesagt, das was sie mit ihrer ‚weisen‘ Geduld daraus gemacht haben, ist schon Schoenheit.

Ich will mal ein bisschen ausfuehren.
Allerdings bin ich ja erst 2 Wochen da, da hab ich noch den alles durchschauenden Blick, und manches, was ich hier schreibe, muss vielleicht nochmal revidiert werden.

Zuerst einmal fallem einem Auslaender sicher die verschleierten Frauen auf (Ganzkoerperschleier, wobei das Gesicht frei ist, bei manchen kann man auch etwas Haar sehen) Manche der Frauen, tragen auch einfach nur Kopftuch. Viele der Frauen selbst moegen es nicht, aber es ist Kultur – und falls mal gemeckert wird, ist das ein zartes feines zurueckhaltendes Aeussern.
Ich hab auch schon Ueberraschungen hier erlebt, wie, dass ich vor kurzen von einer Frau zu einem Tee eingeladen wurde. Oder das in den Haeusern gerne das offenere Leben gelebt wird.
Da gibt es Alles, von ganz konserativ, das heisst, selbst wenn ich Gast in einem Haus bin, sehe ich noch nicht mal die Frau, sie wird sozusagen aus Allem ‚herausgehalten‘, bereitet im Hintergrund das Essen oder Tee, der Mann oder die gastgebenden Maenner holen dann das fertige Essen, Tee und servieren es dem Gast. Die kommunikative Gastgeberrolle gehoert dem Mann.
Oder aber, komme ich einer Einladung nach, werde ich in einer Wohnung, einem Haus empfangen, wo sich die Frau ’sogar in Anwesenheit des Gastes‘ fast an ihren Mann kuschelt. Kommen mehrere Frauen, sitzen dann die Maenner und Frauen getrennt, nebeneinander oder gegenueber. Zuhause wird aber immer in Anwesenheit des Gastes das Kopftuch getragen.
Ich habe den Eindruck das der ganz konserative Lebensstil nicht so haeufig gelebt wird.
Die Gesellschaft ist schon darueber hinausgewachsen, nur ist es ihr noch nicht erlaubt, auch in aller Oeffentlichkeit und teils auch zu Hause so zu leben. Die Perser ueben sich in hoeflicher Weise in unglaublicher, fast liebender, Geduld mit den Gegebenheiten.

Vorgestern bekam ich eine Million Rial geschenkt. Das sind ungefaehr 30 Dollar, 25 Euro!!!!
Da war ich ganz schoen baff. 1.000.000 Rial.
Wenn man einkaufen geht, wird der Preis angegeben minus eine Null. Es gibt aber nur dieses Rial Geld. Hab zumindest noch keinen anderen Schein gesehen. Irgendwie staendige Verwirrung.
Also kaufen ich fuer 200.000 Rial ein, sagt man mir, bitte 20.000, gemeint sind aber 200.000!!!
Vor ein paar Jahren wurde eine Null abgeschafft.
Aber warum eigentlich nur eine Null, man haette doch gleich 3, 4, 5 Nullen streichen koennen.
Gestern hab ich mit dem Internetcafebetreiber darueber geschnackt und wir beide haben herzlich gelacht, und er hat mit den Schultern gezuckt. Die Regierung und die Banken konten sich wohl nicht einigen, ob eine oder zwei Nullen gestrichen werden sollten…….?!?!?
Geduld und darueber lachen

Als ich gestern in Tabriz ankam, hat mich Masood mit in seinen Laden genommen, den er zusammen mit seinem Vater fuehrt. Nach einem Tee und beim Verabschieden, hat er gemeint, ob ich nicht ein paar technische Geraete von Deutschland in den Iran exportieren wolle, wenn ich zurueck in Deutschland bin. Wie soll das funktionieren bei den Sanktionen? Ahh, wir machen das hier ueber den Irak oder die Tuerkei, hat er gesagt. Er ist an Bosch und Tefal ….interessiert. Kein Problem, dass das vielleicht 4 Jahre spaeter sein koennte.
Aber, falls jemand von Euch dieser Geschaeftsidee folgen will, ich geb euch gerne die Kontaktdaten.

Letzte Nacht hatte ich ein Hotel gebucht. Das war mir eigentlich zu teuer, aber ich war erschoepft und wollte mich einfach ausruhen. Die Manager Befragung nach weiterer kostenloser Uebernachtung des Morgens war nicht erfolgreich. Ich solle mich an die Touristen Info wenden, die helfen auch Leuten ohne Geld.
Inzwischen hatte sich aber, nach einem Vormittagsentspannungsschlaf nach dem Fruehstueck, etwas Neues ergeben.
Yadollah, der mir so viel in HadiShahr geholfen hatte, hatte sich schon gestern abend erkundigt und einfach mal die Message an seine Freunde weitergegen.
Daraufhin meldete sich Mehdi aus einem 70 km entfernten Staedtchen. Seine Schwester wohnt auf jeden Fall in Tabriz, vielleicht auch seine Familie. Nach ein paar Telefonaten, kommt nun Mehdi auch herbeigereist, ich kann auf jeden Fall die naechsten Tage bei ihnen wohnen. Wieder ein paar SMS, er ist unterwegs, hat einen frueheren Bus verpasst und entschuldigt sich, wir koennen dann gleich irgendwelche Besorgungen fuer mich machen, schlaegt er vor, welch eine Fuersorge und ich bin schon wieder ganz beruehrt, obwohl ich ihn noch gar nicht kenne.
Von seinem Freund weiss er, und redet mich an als: Peace Messenger ‚Friedensbote‘
Yadollah ist ganz ausser sich vor Freude, dass das Vermitteln geklappt hat.
Ich denke, wir gehen erst mal nen Tee trinken.

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Die letzten 70 km bin ich an der Autobahn entlang. Erst ging es hoch und Schnee an den Seiten und den Feldern, davon hatte ich bereits berichtet, dann wieder hinunter in die Ebene, in der Tabriz liegt. Hoehe 1.363 Meter. Hier ist kein Schnee, uebertags scheint bis jetzt immer die Sonne, nachts ist es leicht frostig, aber alle Haeuser sind hier gut bis sehr gut beheizt oder ueberheizt 🙂

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Das Farzi Alphabeth habe ich schon gelernt. Es sind die selben Buchstaben wie im arabischen – und eben die hab ich schon im Libanon und Jordanien auf den Strassenschildern studiert. Ich moechte wirklich etwas Farzi lernen und ohne die Buchstaben lesen zu koennen, kann ich mir es nicht merken. Also, gute Basis. Ein paar Worte weiss ich schon 🙂
Ausserdem ist es klasse, dass in dieser Gegend und noch ca. 150-200 km weiter auch tuerkisch gesprochen wird, und das kann ich ja noch ein bisschen von den Tuerkeiaufenthalten. Gutes hinuebergleiten in eine neue Sprache.

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Die Moscheen stechen hier nicht so haeufig aus den Doerfern heraus, wie in der Tuerkei, hab ich den Eindruck. Sie sind von aussen teils schlicht gehalten oder mit wundervollen Kacheln versehen, oftmals in dunkelblau, teils Verzierungen, teils arabische Schriftzeichen…
In Tabriz gibt es die ‚Blaue Moschee‘ die nur Freitags genutzt wird. Da passen mindestens 10.000 Menschen rein, hab ich mir sagen lassen. Da werd ich mal Freitag hin und mit all den anderen mich zum Gebet treffen. Am Samstag gehts dann weiter.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6b/Tabriz-BlueMosque-08.jpg

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Dieses Jahr hatte ich nicht so viele Maulbeeren. In Jordanien waren sie gerade reif, als ich wegfuhr, in der Tuerkei war ich in den Bergen, zu kalt. Zurueck am Schwarzen Meer waren die Fruechte schon abgeerntet. Hmmm
Doch nun, hier in Tabriz entdeckte ich getrocknete Maulbeeren und bin fast suechtig danach. Sooooo lecker.
Die mische ich mir dann in eine leckere Nussmischung und bin verzueckt…………

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Und hier uebe ich mich jetzt auch mal in gebotener Zurueckhaltung. Ich traf vor einiger Zeit, schon im Iran, eine Person, der ich einen Friedensvogel schenkte. Verzueckung.
Eine Weile spaeter erwaehnte ich, das ich frueher immer Steine mit mir hatte, aus anderen Laendern, die ich dann verschenkt habe. Was fuer eine Begeisterung. Diese Person wollte auch soooo gerne einen Stein von mir. Allerdings hatte ich den nicht bei mir. Der war in meinem Quartier. Das waere kein Problem gewesen, doch dann kam eines:
Es handelte sich um eine Muschel, die ich noch hatte, aus einem Land, das im Iran nicht genannt wird. Politik.
Selbst mein Bekunden, das auf der Muschel ja nicht der Name des Strandes, der Gegend oder gar des Landes geschrieben steht, half nicht. Jemand koennte ja herausfinden, woher die Muschel stammt ‚Und dann bekomme ich richtig Schwierigkeiten‘ sagte die Person.
So ist das hier auch.

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Es fuehlt sich so an, das ich nun mit meiner neuen Betitelung auch mehr Verantwortung bekommen habe.
Die Menschen, mit denen ich gut kommunizieren kann, haben auch manchmal ernsthafte Fragen …. und koennen zuhoeren
Auf jeden Fall Gruesse ich weiter von Herzen, auch als ‚Friedensbote‘
Thomas

 

 

 

 

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