Von Georgien bis Armenien, jetzt Vanadzor

Liebe Freunde,

es ist der 8.10.2014. 14:20 Uhr. Ich sitze auf 1.400 irgendwas Metern in Vanadzor (100.000 Einwohner) in der Stadtbibliothek vor einem kostenfreien Computer.
Nach Verlassen von Tbilisi/Tiflis bis hierher hat sich so einiges veraendert. Erst einmal das Land 🙂 Von Georgien nach Armenien!! Dann ganz besonders das Klima. Das liegt einmal daran, dass es Herbst geworden ist und zudem, dass ich mich nun auf bald 1.500 Meter Hoehe befinde. Es ist ganz schoen kuehl geworden, hab mich teilweils schon waermer eingekleidet, im Second Hand Shop, und …. ja, mich erwartet temperaturmaessig eine „kuehlere“ Etappe durch den Herbst und Spaetherbst, dann durch den Winter, erst noch diverse Berge in Armenien, dann Iran.

Heute schreibe ich den 903. Tag meiner Friedenspilgerreise und km 9.294!!!!!
Ich habe hier ein Quartier gefunden bei Tigran, einem 52jaehrigenMusiker und Komponisten, bei dem ich nun schon 2 Naechte Quartier gefunden habe. Er hat mich auf der Strasse aufgegabelt, wohne nun in einem „charmanten“ Plattenbau, die Wohnung innen ist geraeumig, noch unbeheizt, und simpel. Allerdings bin ich gewissermassen auch wegen einer kleinen Finanzspritze willkommen, rappe fuer eine Nacht 5000 Dram, das sind knappe 10 Euro. Das Essen fuer mich kaufe ich auch selbst ein, er isst bei seiner Familie. Sehe das Ganze als Spende. Tigram ist nett, wir schauen das ein oder andere Musikvideo und haben einen regen Austausch, er spricht gut englisch.

Morgen geht es dann weiter. Ich werde eine Etappe bis nach Margahovit laufen, dort uebernachten, dann hoffentlich ueber ein kleines Straesschen ueber einen Pass gehen koennen (sonst wartet die Schnellstrasse und Autobahn) der allerdings schaetzungstechnisch auf 2.500 Metern oder knapp darunter liegt, um dann nach Meghradzor zu kommen. Auf meiner Karte habe ich noch andere kleine Strassen gefunden, die mich anschliessend nach Erevan/Yerevan fuehren werden. Das Ganze ist von hier etwa 110-120 km entfernt.
Hoffentlich kommt die Sonne wieder raus, zum Erwaermen und fuer die gute Sicht. Unweit, 40km, – mit Glueck – kann ich von dem Pass auf den 4.090 Meter hohen Aragats schauen.

Ich hatte bereits berichtet, dass ich mich in Tiflis erholt hatte, irgendwie nicht richtig viel unternehmen konnte, weil mein Koerper und meine Psyche mich irgendwie gelaehmt hatten. Das habe ich schon des Oefteren unterwegs erlebt, naemlich, wenn ich laenger keine richtige Pause machen konnte, viel auf mich eingeflossen war. Dann, wenn es endlich soweit ist, holt das Koerper/Seele/Geist System alles nach, verordnet sozusagen eine Pause. Nicht leicht auszuhalten (weil ich ja wusste, Verspaetung laesst mich mehr im Winter laufen) Trotzdem danke…. besser als wirklich krank zu werden…..

Es war dann klasse wieder unterwegs zu sein, die aeussere Bewegung setzte auch innerlich vieles neu in Bewegung. Ich hatte so ein gewissen „Angstbewusstsein“(bereits in Tiflis) in mir entwickelt, oder mehr wahrgenommen, wollte es nicht so richtig wahr haben, aber hab es dann irgendwann so betiteln koennen. Hab nach Gruenden gesucht und alle moeglichen gefunden. Von dem Ueberfall, Angst vor Iran, Parkistan, Afghanistan und seinen Gefahren…., alleine unterwegs zu sein, usw.
Unterwegs, nach 2, 3 Tagen kam ich dann auf die Idee, das dieses Angstbewusstsein vielleicht gar nicht meines ist, oder nicht nur meines. Hab mich geoeffnet und mich quasi mit dieser Angst hingegeben, an das alles was ist…. und wenn es denn so ist…. muss ich damit leben…. Dieses oeffnen an die Moeglichkeit, das es Angstbewusstsein von der Region, Georgien oder der Welt sein kann hat mich total erleichtert, leicht gemacht und schliesslich schon nach ein paar Stunden, hatte ich gar nicht mehr dieses Angstbewusstsein in mir. Da hab ich aber gestaunt, ob der schnellen Aufloesung in mir. Jetzt fuehle ich mich wieder ganz normal, wie sonst halt auch, keine groessere erwaehnenswerte Angst in mir, das ist guuut so.

Angekommen in Armenien hab ich festgestellt, dass sich nach mehreren Tagen, eine weitere Oeffnung einstellte, mein Herz hat sich wieder mehr geoeffnet….. Liegt das jetzt an dem Anderen in diesem Land…. moeglich!!!! Ich nehme es einfach mal so wahr. Auf jeden Fall merke ich, wie ich mehr und mehr in Fluss komme.

Ich habe nette Gastgeber auf dem Weg von Georgien nach Armenien, dann auch in Armenien. Insgesamt sind die Leute hier in Armenien noch etwas aermer, z.B. ist es auch schon mal normal, dass es gar keinen Strom gibt, oder zumindest voruebergehend nicht. Wie hier im Winter geheisst wird ist mir noch nicht so ganz klar. Die kleinen Holzoefchen zeugen nicht von allzu viel Komfort. Und die Armenier scheinen nicht besonders kaelteempfindlich zu sein. Da laeuft schon mal die 2malige junge Mutter morgens im einlagigen Stoffkleidchen, fast Mini, herum… ich dagegen hab schon 3 Lagen uebereinander an.

Nach 3 Tagen in Armenien treffe ich unvermutet auf Stephan, in einem Guest House, der auch unterwegs zu Fuss nach Tibet ist. Wir hatten ca. 10 Tage vorher, noch aus Tiflis mal miteinander kommuniziert. Locker hatten wir unsere Absicht erklaert, zusammen laufen zu wollen, wie, wussten wir noch nicht genau, da Stephan etwa 10 Tage ‚hinter mir‘ war. Aber er wollte sich was einfallen lassen. Spaeter stellte sich heraus, Stephan ist vielleicht nicht mehr so vorwiegend gehend unterwegs, ist jetzt auch mit dem Auto und ein paar Kumpels von Batumi gereist.  Noch bevor wir einen gemeinsamen Schritt gemacht haben, verabschiedet Stephan sich dann eines Morgens wieder, reist mit seinen Freunden im Auto weiter. Ich hab es schon am Vorarbend gespuert, doch war ich trotzdem ueberrascht, und musste ganz lange ueber diese Situation lachen…..
Stephan muss 3 Monate ausserhalb von der Tuerkei verbringen, da er seine Visa 3 mal verlaengert hatte, bevor er zurueck kann. Dort wartet, so scheint es, seine tuerkische Freundin, zu der er dann wohl zurueck will.
Wer weiss, vielleicht laufen wir ja noch zu einem spaeteren Zeitpunkt zusammen, z.B. ab Yerevan oder ein Stueck im Iran???!!! Auf jeden Fall hab ich mich jetzt darauf eingestellt, alleine zu laufen, hat sich niemand weiteres angekuendigt, ja Hans im Neuen Jahr vielleicht…. und zu meiner Ueberraschung fuehlt sich auch das ganz gut und frei und einverstanden an.

Ja, ich bin noch mehr einverstanden, dass zuzulassen, was einfach so kommt, vielleicht auch noch oefter mal einen Zwischenstopp, wie zB. hier in Vanadzor zu machen, wenn es sich gerade richtig anfuehlt.

Ach ja, zwischendrin hab ich Yom Kippur zelebriert, einen juedischen hohen Feiertag, der im Zeichen von Versoehnung steht. Im Wesentlichen drueckt sich dieser Tag durch eine innere Einkehr aus, die durch ein 25 stuendigens Fasten, nicht Essen, nicht Trinken, unterstrichen wird. Und in meiner Praxis, interspirituell unterwegs zu sein, konnte ich mich nun erstmals auch ueber ein juedisches Ritual mit dieser Religionsgruppe verbinden. Intersein!!!! Wir sind ja sowieso immer verbunden.

Soweit, so gut. Ich bin froh….
Von Herzen
Thomas

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