Ich treffe Vazha und seine Familie

Ich habe das Schwarze Meer verlassen. Es geht Richtung Zugdidi.

24 km an eingezaeunten Grundstuecken (kleine Minifarmen, die da jede Familie hat). Eingezaeunt, weil hier die Kuehe und Schweine auf der Strasse langlaufen und nicht die Gaerten anknabbern sollen.

Nach 24 km werde ich mehrfach gestoppt, schliesslich von Jonny und seinen Freunden in Kahatschi. Wohin, woher, warum……
Mit Haenden und Fuessen. Nach einer kleinen Weile kommt Vazha, 15, dazu, Sohn von Jonny. Schnell stellt sich heraus, dass Vazha gut deutsch und englisch spricht und einen Sprachkurs als erster aus der Region beim Goethe Institut in Deutschland, Bielefeld gewonnen hat. Das Goethe Institut uebernimmt alle Kosten fuer die Reise und den 3-woechigen Kurs und ich freu mich soooo mit Vazha und seiner Familie. Wie wunderbar. (Am 3.8. ging die Reise los)

Auch da ist Gino, etwa 24 Jahre. Gino war mit der georgischen Armee in Afghanistan im Einsatz, als er schwer im Bauch verletzt wurde. Erst bewusstlos zurueck nach Georgien gebracht, wurde er dann weiter in ein amerikanisches Militaerkrankenhaus bei Hamburg gebracht. 3 Monate war er dort, wurde operiert, und liebt seitdem Deutschland und deutsches Essen, obwohl er nie das Krankenhaus verlassen hatte. Als er einigermassen wieder beisammen war, wurde er zurueck nach Georgien gebracht, weiterbehandelt.

Dann taucht da auch noch Kochula auf, ein Ex-Schauspieler, den jeder im Land kennt. Er wohnt genau gegenueber und torkelt zu uns herueber. Er ist jung, Anfang 30 und hat momentan keine Auftraege….. warum, er hat seinen Beruf gewechselt und ist jetzt hauptberuflicher Alkoholiker. Aber er ist weiter ganz erpicht daruf, in den Medien zu erscheinen und ist ganz vernarrt darauf zu wissen, ob ich ein Journalist sei.

Vazha erklaert mit, seine Familie besteht im Moment aus 3 Leuten, ihm, seinem Vater Jonny und die Oma Goguza. Die Mutter ist in Tbilisi arbeiten. Ich bekomme Aepfel aus dem Garten gereicht und auch, von Jonny, rohe Eier zum mitnehmen. Das geht nun gar nicht in meinen Rucksack, rohe Eier. Ich bin eingeladen, zu bleiben.
Die Oma serviert mir die inzwischen gekochten Eier, selbstgemachten Kaese, Brot, Youghurt, Tee…….
und geht auch noch die Kuehe melken…. fuer den Kaese und Youghurt Nachschub.

Mit Vazha und Gino nehmen wir noch ein Bad im kleinen Fluss hinter dem Grundstueck, das ist klasse bei 35Grad, auch wenn die Wassertiefe nur 70 cm bis 1 Meter betraegt.

Am naechsten Morgen ist die ganze Familie bis auf Vazha ausgeflogen. Die Oma, Mutter von Jonny, hat Bauchkraempfe, Vazhas Mutter Lela war in dern Nacht wiedergekommen, ich hatte sie noch nicht gesehen, alle zusammen im Krankenhaus. Oma soll operiert werden.
Ich verabschiede mich von Vazha, der meint, ich solle doch noch bleiben – und verstehe erst wirklich beim Abschied, was sich hier wirklich zutraegt, gehe 500 Meter und kehre zurueck (ich hab da so eine Vorahnung….), bevor ich das Grundstueck betrete, laufen 2 schwarz gekleidete Frauen am Gartentor vorbei –Vazha freut sich, als ich wieder an der Tuer auftauche.

Die Oma Goguza wird nun doch nicht operiert, bleibt auf jeden Fall im Krankenhaus. Ich soll so lange da bleiben, bis die Oma wieder zu hause ist, richtet Lela mir von Oma aus. 🙂  Und Lela ist so froh, dass ihr Sohn einen deutsch-Gespraechspartner hat – und spaeter macht sie einen Luftsprung, als ich ihr Essen genossen habe und sie lobe……

Am Nachmittag faehrt ein Auto zu schnell durch eine Kurve – Reifen quietschen, ein dumpfer Aufprall im Graben und landet im 5 Haeusser entfernten Garten. Das kommt hier an dieser Kurve wohl oefter vor, deswegen steht da auch schon ein Kreuz (hat sich wohl jemand totgefahren) meint Vazha.

Es ist Samstag, Sonntag ist das WM Finale Deutschland-Argentinien, hier zwei Stunden spaeter. Jonny hat solche Bauchkraempfe am Ende vom Spiel und geht gleich danach schlafen.

Oma Goguza, Jonnys Mutter stirbt um ca. 5 Uhr morgens. Er hat es wohl gefuehlt. Ich wache wegen vieler Aktivitaeten und lautem hin und her kommandieren gegen 6 Uhr auf. Oma tot. Keine Stunde spaeter ist die Leiche schon da, Krankenhaus liefert im Krankenwagen. Mit erstem Wehklagen wird die Goguza ein letztes Mal in ihr Zuhause gebracht. Ein Schneewittchenleihsarg mit oben ganz Fenster und Kuehlung wird auch wenig spaeter geliefert. Oma ist noch nicht zurechtgemacht und die ersten Trauergaeste treffen schon ein, immer die aelteste Frau einer Familie ist berufen, als  Klageweib die Trauernden anzufuehren.
So soll das nun 1 Woche lang gehen.
Abends wird dann unter den Maennern auf die Oma und ihr Leben getostet, mit Wein. (Gut dass ich kein Alkohol trinke) Jeder, dem irgendetwas einfaellt, sagt etwas zur Oma, dann heben alle das Glass, prosten, und trinken die Fuellung in einem Zug aus. Wein wird nachgeschenkt, Tost ausgesprochen…… so wiederholt sich das ganze, bis niemandem mehr was einfaellt. Ein schoenes Ritual, das Erinnern an die Tote, auch eine schoene ehrende Stimmung….. (doch gerne auch ohne Alkohol:-))

Am naechsten Tag verlasse ich das Haus, irgendwie kann ich doch nicht helfen, hab ich das Gefuehl, aber ich waere trotz der ganze Oma-Geschichte weiter willkommen – ist das nicht grossartig?

Sonntag danach ist dann die Beerdigung, so lange kann man hier Abschied nehmen, 3000 Leute sollen kommen, vermutlich, doch ’nur‘ 300 kommen zum Wein trinken hinterher mit in ein Lokal.

Lela ist traurig, als ich gehe, ich soll wiederkommen.

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