Teheran
Angekommen!!! 17 Uhr
km-stand 10.885, Tag 1057 🙂
Es geht mir gut. Es scheint, als wolle das Wetter nun im dritten Anlauf den Fruehling einlaeuten. Zwei mal dachte ich schon, es sei soweit, aber dann gab es das erste mal nochmals Schnee, beim zweiten mal einen so dermassen dollen kalten Sturm, der gluecklicherweise in meinen Ruecken geblasen hat, das ich nur noch die Beine hochheben musste, der Schritt wurde durch den Wind gemacht. Sicherlich Windstaerke 8 oder so. Die schon wirklich kahle Gegend verhalf dem Ereignis zu einem ordenlichen Sandsturm mit verdunkelndem Himmel … und das alles bei etwa 3 Grad, brrrr. Etwa 2 Tage spaeter ist dann im Sueden vom Iran Schnee gefallen, was eine kleine Sensation ist!!!!
Auf jeden Fall heute alles warm, die ersten Maenner laufen in T-Shirts rum, die Frauen vielleicht unter ihren Verhuellungen, das ist schliesslich verborgen.
Per Email hab ich fuer das Publik Forum ein paar Interview Fragen beantwortet. Nun, gibt es Nachfragen…. (hab es per sms erfahren) die ich wiederum per Email beantworten soll…. doch, dass uebliche, in diesem Internetcafe gibt es keinen Filter, der mich zu meinem Email account laesst, rrrrr!!!
Alternative, Internetcafe wechseln, da um die Ecke soll es eines geben….. Erfahrungsgemaess dauert es dann aber wieder eine Weile, bis ich ‚drin‘ bin. Dann ist aber vielleicht schon Rahim da, mein Gastgeber fuer heute…. Also profitiert der steppps blog. Auch ganz gut.
Aerger
Es scheint so, dass ich durch eine „Im-Frieden-Sein-oder-doch noch-Aerger?-haben-Pruefung“ schlendere. Zumindest faellt es mir auf, dass ich ab und zu aus irgendwelchen Ecken in mir ‚Aerger‘ verspuere und auch eben in der Situation manchmal daraus agiere.
Situationen, in denen es mich herausfordert sind meistens aus meiner Sicht grenzueberschreitend ist, aber mein Gegenueber merkt es meist nicht…..
so jetzt werd ich doch schon abgeholt, spaeter mehr.
Herz
Thomas
21:15
Rahim hat mich in seine Wohnung gelassen, die ich so lange benutzen kann, wie ich will. Er selbst ist nur noch mal morgen abend zurueck, dann ist er fuer 2 Wochen nicht da. Was fuer ein tolles Geschenk. Und damit hab ich nicht gerechnet. Hab schon gedacht, muesste fast jeden Tag umziehen, das geht mir oft in Staedten so. Ja, unverhofft kommt oft. Und heute abend und morgen hab ich den Computer. Aber auch hier ist facebook und gmx blockiert. Der Filter funktioniert nicht. So bin ich nicht sonderlich abgelenkt – ausser, dass gleich noch Ali kommt. Er ist der Arbeitgeber von Rahim. Und Ali ist wieder ein Cousin von Sohail aus Tabriz. Soweit ihr den Blog verfolgt hab, gehoert Sohail zu der ‚Gang‘, die mich von Tabriz nach Kozeh Konan ‚im freundlichen Sinne‘ entfuehrt hatten.
Fortsetzung ‚Aerger‘
Ich weiss, dass die ‚Gegenuebers‘ mir damit helfen, in die versteckten Ecken des Aergers zu gelangen. Die Situationen sind etwas komisch zuweilen, manchmal gewoehnlich, manchmal kulturell bedingt.
Heute z.B komm ich am Freiheitsplatz an, dieser Platz mit dem ungewoehnlichen Bau, Denkmal, das der Schah noch hat bauen lassen. Dort will mich ein netter Mann in sein Haus einladen. Es sieht so aus, dass er des oefteren hier auf Touristen wartet. Aber ich hab ja mein Quartier. Aber er folgt mir ungefaehr 3 km weit. Da entschliesse ich mich, bei einem Sicherheitsmann einer Versicherung, wie ich spaeter herausfinde, in Erfahrung zu bringen, wo denn nun dieses Buero ist, wo ich mein Visa verlaengern kann. Der meint es zu wissen, der Verfolger kommt dazu. Alle drei gehen wir weiter in Richtung Innenstadt. Entgegen kommt uns ein Mann, der offensichtlich gerade einen Herzanfall erleidet, der Verfolger und eine dazukommende Dame aus einer Bank informieren die Ambulanz, Wasser wird gereicht. Der Sicherheitsmann will weitergehen, die Polizeistation koennte bald schliessen – ich meine, das dieser Herzpatient jetzt vielleicht mehr Hilfe und Aufmerksamkeit braucht. Wir bleiben noch eine Weile.
Die Bankangestellte versichert, sie kuemmert sich weiter um den Herzpatienten und wartet bis die Ambulanz kommt. Bei der Polizei angekommen ist das Buero geschlosssen. Kein Problem fuer mich, aber die anderen beiden lassen mich nicht in Ruhe. Der Sicherheitsmann gibt mir zu verstehen, dass mein Verfolger mich einladen will. Ich erwiedere, dass ich es wuesste und bereits abgelehnt habe. Ich habe bereits ein Quartier, teile ich nochmals mit.
Wer denn? will der Sicherheitsmann wissen. Ich sage Ali, ein Freund, den kenne ich zwar noch nicht, aber alles ok. Nun will der Sicherheitsmann mit Ali sprechen, um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich ein Quartier habe. Ich will aber nicht, dass die beiden jetzt telefonieren, will noch 3-5 km weiter ins Zentrum laufen, dann erst anrufen. Wuerde ich jetzt anrufen, setzt sich ein Kette von Hilfe in Gang, die ich erst am Ende des Tages einladen moechte.
Die Beiden wollen mich einfach nicht in Ruhe lassen. Ich bedanke mich das 3. mal fuer die Hilfe, aber auch das hilft nicht. Ich muss einen anderen Ton waehlen, bin nicht wirklich aergerlich, spiele ein bisschen den Veraergerten, komme mir ein bisschen vor, wie ein Fisch, dem ein Saugnapf an den Koerper gepfropft wurde, und ich nicht mehr wegkomme. Aber es hilft nicht, ich muss die beiden Verdutzten verdutzt stehen lassen, all gutes Reden hat nicht geholfen. Hilfsbereitsschaft fuer einen, der gerne Hilfe annimmt, zuerst welche brauchte, dann aber der Hilfe nicht mehr beduerftig ist. Und die Hilfsbereiten wollen einen guten Abschluss finden, koennen es aber nicht akzeptieren, das der vorher Hilfsbeduerftige jetzt keine Hilfe mehr braucht…..
Auch mit einem kleinen Laecheln verlasse ich die Szene, der Verfolger verfolgt mich noch ein bisschen, telefoniert dann die ganze Zeit hinter mir her laufend, ich drehe mich ein paar mal um, und ueberholt mich dann ‚unauffaellig‘ und verschwindet nach einer Weile, weil er jetzt etwas schneller ist.
Anderes Beispiel
Ich bin gestern bei Amir, 30, zu Gast. Der will mich eigentlich mit seinem Motorrad zum einer Familie fahren, die Eltern eines gefallenen Maetyrers sind, danach noch zum Khomenii Mausoleum. Mit Amir hatte ich bei meiner Ankunft einen Abend vorher ein tolles gemeinsames muslimisches Gebet, dann spaeter haben wir gemeinsam meditiert. Am Morgen hat er mich dann die ganze Zeit bei meinen Morgenuebungen und der anschliessenden Meditation beobachtet. 🙂 Dann sind wir zum Fruehstueck – ich Obst – 100 Meter weiter zur Familie seiner zukuenftigen Frau. Da die Hochzeit in 3-4 Wochen ist, hat sich das Programm fuer den Tag veraendert, die Karten fuer die Bekanntgabe der Hochzeit sollen gewaehlt werden, der Saal fuer die 500 Gaeste ausgesucht und gebucht werden. Allerdings erzaehlt Amir nix von den Aenderungen, alles wurde in farsi gesprochen. Erst als die Braut und Amir loswollen, wir sind zwischenzeitlich zurueck in Amirs Wohnung, kommt alles raus. Da will ich nicht ueberall mit, und ausserdem weiss ich bis dahin nur von den Karten, die gedruckt werden sollen. Ich entscheide mich in der Wohnung zu bleiben – 2 Stunden soll die Aktion dauern. Und die beiden haben sicher so selten Zeit miteinander mehr oder weniger alleine zu sein, denke ich so bei mir. Kann ja schon heute weiterlaufen, Amir kann mich zurueckbringen, dahin, wo er mich aufgegabelt hat, mit seinem Motorrad…. Das waere dann so gegen 14 Uhr. Ok.
So gegen 15 Uhr stelle ich leichten Aerger fest, entschliesse mich, in den Aerger zu schauen, und zu untersuchen, wo er herkommt. Tiefere Schichten des Aergers zu erkunden. Im meiner Milzgegend ist eine Verspannung zu spueren und ich gehe dort mit meiner Aufmerksamkeit hin. Diese Gegend meldet sich meisst, wenn es etwas aehnlich geartetes ist. Die Bilder sind nicht ganz klar, aber es hat etwas mit Absprachen zu tun, die nicht eingehalten werden, vielleicht bin ich da so 5 Jahre alt. (Ich hab gar kein Problem damit, wenn Absprachen nicht eingehalten werden, solange sie mir kundgetan werden) Hier ist die Absprache 14 Uhr oder so, kulturell natuerlich unterschiedlich gedeutet…. 🙂 Kurz vor 16 Uhr will ich dann doch mal wissen was jetzt los ist, fuehl mich son bisschen wie ein geparktes Objekt. Die beiden kommen, Amir hat die Zeit vergessen, natuerlich war viel zu tun…..
Seine zukuenftige Frau, Najez, traegt neben dem Kopftuch noch eine Ganzkoeperverhuellung, das ist ein hauchduenner schwarzer Stoff, der um den ganzen Koerper gewickelt wird. Das Kopftuch ist vorgeschrieben, aber die Ganzkoeperverhuellung nicht. Ich bin ein bisschen erstaunt, da wir nicht mehr auf dem Dorf sind. Ich frage ihn, ob er denn Wolle, annehmend, das die Eltern es gerne sehen, das Najez die Ganzkoeperverhuellung traegt, das seine zukuenftige Frau nach der Hochzeit so herumlaeuft – und bekomme nicht so ne richtige Antwort. Er sagt, weil es viele Vorschriften im Iran gibt, wollen die Menschen im Iran diese Vorschriften loswerden; gibt es sie dann nicht mehr, wuerden viele religioesen Regeln gerne eingehalten. Ich hatte schon vorher verstanden, dass Amir sehr religioes ist, doch ….. Ich ueberlasse es ihr, ob sie es will……, sagt er. Doch sie ist eher eine unsichere, in ihrem Wesen noch nicht gefestigte Person……, denke ich so bei mir. Da muss doch Selbstbewusstsein gefoerdert werden. Ich spuere, er sieht es nicht ungern, wenn sich seine Frau verhuellt….. Die Regeln haben ihre Gruende…… sagt er ruhig…
Bis dahin war noch kein Wort gefallen, ueber warum und wieso, oder ‚entschuldige bitte‘ …. Und die Mischung aus diesem Gespraech und der 2 Stunden Verspaetung. (Ich krieg auch nicht ne richtige Antwort bzw keine Reaktion, ausser einem ruhigen Amir, auf meine Frage, was es denn bedeutet, 2 Stunden zu vereinbaren, und dann erst nach 4 Stunden aufzutauchen, in der iranischen Kultur….. ) Und so begehe ich den Fehler, beobachte es aber, mit einer leicht aergerlichen Stimm-e-ung, zu beschreiben, wie ich mich gefuehlt habe, keine Info bekommen zu haben. (Das wollte ich naemlich nicht machen.) Reaktion oder Erklaerung trotzdem null.
Ich geniesse einen Spaziergang in die Stadt. Lasse die beiden nochmal fuer sich sein.
Drittes Beispiel
Hat auch mit Absprachen zu tun. Ich werde eingeladen in das Haus meines Gastgebers Karam, ganz in der Naehe, sagt er. Kurz danach stellt sich heraus, nein nicht in sein Haus, sondern in das Haus seines Bruders, der ist aber noch im 40km entfernten Tehran. Spaeter stellt sich heraus, er steckt im Stau. Ich werde in den Telefonladen hinter die Theke seines anderen Bruders Hussein gebracht und fuehle mich auch dort geparkt. Das ist wirklich kein Ort zum Erholen. Karam ist interessiert mit einem Auslaender zusammen zu sein. Deshalb hat ein ein bisschen die Wahrheit verdreht. Er konnte ja nicht wissen, das sein Bruder noch so weit weg ist, sagt er. Schliesslich wird es so spaet, dass der Telefonladen gegen 21:30 zu macht. Karams Neffe Jasdan rettet die Situation, indem wir zu seiner Tante fahren. Da ist nen Wohnzimmer und ne entspannte Atmosphaere. Erst gegen 23:30 kommt dann sein Stau-Bruder aus Tehran zurueck. Zwischenzeitlich hab ich etliche male erklaeren muessen, duerfen, was ich denn so mach und ne ganze Menge Small Talk. Das ist das eine.
Karam hat so viele Fragen, dass er oft vergisst, mich ausreden zu lassen. Inmitten meiner Antwort kommt meist schon die naechste Frage. Das geht ueber Stunden so. Schliesslich frage ich ihn mal, aber er versteht es einfach nicht. Wieder so ein Art Fisch mit Saugnapf Situation. Ausserdem spricht er laut und angespannt. Er lehnt sich immer zu mir auf meinem Sessel herueber und macht sogar eine Art Krallenbewegung mit seiner Hand, er will alles erhaschen, grabschen…… Ich geb ihm ein paar mal zu verstehen, das ich gute Ohren habe.
Wie in einer solchen Situation eine Atmosphaere schaffen, in der sich bei ‚Ungeuebten‘ ein wirkliches Gespraech mit Fragen, Antworten, Pausen, Zuhoeren entwickeln kann.
Ja, auch hier taucht dann mal der Aerger auf, die Ungeduld, gepaart mit dem Ausruhbeduerfnis und der Nicht-Pause.
Auf jeden Fall alles sehr gute Uebungsfelder, und ich hab das Gefuehl, das die Aerger Situationen ‚geschaffen‘ sind, um es in mir zu heilen.
Mal wieder ein langer Report….. hoffentlich nicht langweilig. Gebt mir mal ne Rueckmeldung. steppps@gmx.de.
Es gibt natuerlich noch mehr zu berichten, spaeter.
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