Von Bostan Abad bis Miyaneh
Liebe Freunde,
Von Tabriz nach Miyaneh waren es 10 Tage und 170 km.
Etwas weniger als 500 km bis nach Teheran, falls ich keine kleine Strassen laufen sollte.
Heute schreibe ich den Tag 1.027!! KM Stand 10.403!!!
Siehe auch facebook: steppps-peacewalk
In Bostan Abad hab ich dann noch die Heisse Quelle besucht. Ohhh, das tat meinen kleinen Wehwehchen, meinen Muskeln usw. gut. Es gab ein Mineralbad (heisses Wasser), Becken mit noch waermerem Wasser mit Wassermassageduesen und sogar eine leicht temperierte Sauna und eine Dampfsauna. Die Angestellten haben mich gesehen und mich sofort eingeladen, immer mal geguckt, dass es mir gut geht und mich hinterher noch zum Tee eingeladen. 🙂
Hier und da schlafe ich mal beim Roten Halbmond. Die betreuen gerne auch die Fahrradtouristen, oder so einen wie mich. Sie haben hier und da ihre Stationen an der Strasse (fast der alten Seidenstrasse) und sind natuerlich fuer Unfaelle oder aehnliches zustaendig. So 1-2 mal im Monat erscheint dann eine Truppe Fahrradfahrer, Wanderer sind da eher selten. Bei denen hatte ich glatt schon 2x Spagetthi mit Soya-Tomaten-Sosse. Da freut sich der Vegetarier 🙂
In Garachemen kommen mir fast die Traenen, als ich den hier noch kleinen Fluss betrachte – dem Flusslauf folge ich die naechsten Tage flussabwaerts. Die Menschen hier schmeissen einfach den ganzen Muell in das Flussbett. Bald im Fruehling, wird der Wasserstand anschwellen und das Wasser wird alles mitnehmen und ‚reinigen‘, erfahre ich spaeter. Ich kann mich nicht direkt hier hinsetzen und ein paar gekaufte Nuesse und Rosinen essen, weil mich immer jemand von oben herab anspricht, ich sitze auf einem Bordstein. Ich bitte, den Interessierten sich doch neben mich zu setzen, doch ungefaehr 6 faches Auffordern hilft nix. Da muss ich mal nen Stueck weiter. Da setze ich mich an den Fluss, geniesse die Spaetwintersonne und beschliesse, nochmals in den Ort zurueckzukehren. Ich moeche gerne den Buergermeister sprechen.
In einem Laden treffe ich Mohammad, ich kontaktiere Mehdi aus Kozeh Konan, weil hier offensichtlich niemand englisch spricht, zu uebersetzen.
Ich bin bereit 1-2 Tage zu bleiben, ein Teil von dem Muell aus dem Fluss zu raeumen. Ein Besuch beim Doctor der kleinen Krankenstation. Alle kennen das Problem, aber die Haendler sind wohl die ‚Schuldigen‘ und viele viele Uneinsichtige, eigentlich alle, wie man mir zu verstehen gibt. Da spreche ich mit einem anderen englischsprachigen, Amir, mit dem man mich am Telefon verbindet. Er arbeitet irgendwo im Dorf, kennt auch das Problem, er selbst ist nicht von vor Ort, will auch was aendern, aber er raet mir, den Ort zu verlassen, escape!!, sagt er. Ich gebe zu verstehen, dass wir dann ja schon 2 waeren….. aber das hilft auch nicht. Buergermeister gibt es vor Ort nicht. Es ist nicht bekannt ob der entsprechende zustaendigen Regierungsbeamte bescheid weiss.
Es ist 15 Uhr. Ich habe noch 9 km zu gehen bis zum naechsten Ort. Mohammads Vater gibt mir zu verstehen, und mit wieder Mehdis Uebersetungshilfe am Telefon, ich koenne in einem kleinen Office schlafen. Ich bin hin und her gerissen, entscheide mich, doch weiter zu gehen, und zweifle nach einer Weile an meiner Bauch-Entscheidung. Vielleicht haette ich ja doch noch etwas ausrichten koennen???!!
Auf der Strecke, nach vielleicht weiteren 4 km haelt ein Auto an. Es kam aus der anderen Richtung, hatte gedreht und 100m vor mir gehalten. Es ist ein Regierungsauto, dass sehe ich an dem anderen Kennzeichen. Ein Mann steigt aus, das erste was er macht, er zuppt seinen Anzug zurecht und schaut zu dem Fluss.
Es ist Farzin, General Director fuer Tourismus, Umwelt und altes Handwerk fuer ganz Azerbaijan im Iran. Er sagt, er habe mich gehen sehen und wolle mich nun interviewen. Wir setzen uns in seinen Wagen (mit Fahrer). Erzaehle ihm von dem Muellproblem, dessen er sich auch bewusst ist, von der Friedenspilgerreise usw. Er will alles in einem Magazin veroeffentlichen, will mich noch irgendwohin bringen, aber ich lehne ab. Ich kann meinen Ort nicht mehr erreichen, doch es findet sich ein anderer, ganz kleiner Ort, Qashqay, fast unbewohnt kommt er mir vor, etliche Haeuser aus Lehm sind zusammengebrochen….. Aber da sind dann doch ein paar Menschen. Ich kann in der Moschee schlafen. Schnell wird der Ofen angeschmissen, der mit Benzin oder so beheizt wird. Ich erkundige mich noch, ob das nicht ein bisschen gefaehrlich ist, noe….. Fast alle Maenner des Dorfes (90 Einwohner) erscheinen. Mahmut, Amir, Amir, Hussein, Berger, Jocob, Hussein, Ali, Hamid, Imam Mohammad, Hasan, Kazim, Azger, Gurban… Ich bastele Friedensvoegel, Essen kommt, auch selbstgemachter 1A Kaese und Youghurt und Tee, gemacht von einer Frau dieser Maenner, alle schauen zu, sie essen spaeter zusammen mit ihren Familien. Ich krieg ein paar Decken gereicht und schlafe auf einem der vielen Perserteppiche. Der Benzinvorrat reicht bis ca. 5 Uhr, danach wird es etwas kaelter, aber noch ok.
So reichlich die Maenner am Abend waren…. am naechten Morgen krieg ich das Fruehstueck gebracht, von Mahmut, ich soll die Tuer zumachen…. zum Verabschieden kommt dann keiner mehr…. das Dorf scheint wie ausgestorben.
Am naechsten Abend erreiche ich wieder kein richtiges Dorf, es ist eher ein Parkplatz fuer Truckdriver, mit Quelle und kleinen Staenden, einer kleinen Moschee und zwei Restaurants. Wie ich am naechsten Morgen erfahre, verbringe ich die Nacht im Bett von Mashad, der selbst zu verstehen gibt, das er ein Kopfproblem hat, nicht lesen kann…. Er selbst bleibt die ganze Nacht wach, sitzt neben mir als ich fruehstuecke und dann kapiere ich – jetzt will er schlafen!!
Die letzten 2 Tage vor Miyaneh wird die Landschaft richtig schoen. Der Fluss fliesst im Zickzack um dieverse Berge herum, hat eine schoene Aura, schoene tuerkise Farbe. Das Wetter hat sich in den letzten Tagen geaendert. Es scheint sich langsam der Fruehling anzukuendigen. Hier, hab ich mir sagen lassen, regnet es sehr wenig im Winter und im Sommer. Jetzt ist es nicht mehr ueberwiegend sonnig, sondern Schleierwolken ziehen auf. Ich bin die ganze Zeit auch hinuntergelaufen, am Flussbett lang. Tabriz ist auf 1.300m Hoehe. Ab und zu regnet es jetzt auch. Ganz zaghaft faengt das Grass an zu spriessen. Die umherziehenden Herden von Schafen wird es freuen. Und es gibt auch hier und da schon mal ein kleines gelbes Bluemchen.
Amir empfaengt mich schon 7 km vor Miyaneh, er hatte sich schon vorher gemeldet und will mich begaestigen. Ein Mann mit Bart hatte mit mir vor ein paar Tagen gesprochen, mir einen Gebetskettenkranz ueberreicht und gefragt ob ich sonst noch was brauche. Selbst seine Pillen hat er mir angeboten. Er ist der Tourismuschef des hiesigen Staedtchens, wie sich spaeter herausstellt und hatte Amir verstaendigt, dass da ‚wieder einer‘ unterwegs ist. Amir hat schon 200 Radtouristen und 4 Wanderer beherbergt, ist selbst 23-25 und profitiert von dem Austausch, den er mit uns Touries hat. Hat schon vieles gelernt.
Nachdem er 20 Leute eingeladen hatte, hat sich seine Mutter beschwert, dann hat er nach einer neuen Loesung gesucht. Auch die Polizei hatte ihn gefragt, warum er denn all diese Touristen einlade, jetzt wo die Zahl ansteigt, koenne doch auch der ein oder andere davon provitieren.
So hat er sich an das oertliche Gaestehaus – eine Art Misafirhane – gewandt und einen Sonderpreis fuer alle Leute ausgehandelt, die er dort vorbeibringt. Er will trotzdem noch gerne der Gastgeber sein, kuemmert sich um die Belange und Beduerfnisse der Reisenden. 50 % Rabatt gibts. Und ein Mitarbeiter des Touristenbueros ist bei meiner Ankunft auch zugegen, weiss von meinem Anliegen, gerne eingeladen zu werden und will eine weitere Haelfte des reduzierten Preises auf kosten der Stadt uebernehmen. Oder falls ich gar kein Geld haette…. Ich stimme zu. Habe ich so auch ein paar Tage mehr Zeit fuer mich und all das was es immer zu tun gibt…. Ausruhen, Berichte schreiben, Emails und Facebook, Route durchmeditieren, meditieren, Besorgungen machen, Waschen, diesmal auch meinen Rucksack……
Amir plant nun mit dem oertlichen Touristenbuero, fuer die Radreisenden eine Art Container am Ortseingang aufzustellen mit ein paar Betten. Da koennen dann die Radler kostenlos uebernachten, und er will der Kuemmerer sein.
Was ich denn fuer ihn tun koenne, frage ich bei Gelegenheit! Ja, es waere schoen, wenn ich ihn mit Farzin, dem Tourismuschef von ganz Azerbaijan, kontaktieren koenne. Amir selbst muss noch seinen Wehrdienst ableisten. D.h. 2 Monate Training und eigentlich 22 weitere Monate Service, zB. bei der Polizei oder auch im Tourismus. (Er kriegt aber 1 Jahr geschenkt, denn er ist der Erstgeborene eines Kriegsveteranens aus dem Iran/Irak Krieg) Wenn Farzin also ein ok gibt, dann koennte Amir seine 10 Monate Service sicher im Touristenbuero absovieren.
Mit Amir gehe ich auch im Schweigen ein paar km nach Miyaneh hinein, und er ist schon nach 1 km ganz begeistert, wie ihn das beruhigt.
Mir haben es weiter die getrockneten Maulbeeren angetan. Hier in der Stadt gibt es auch einen Laden, wo es die gibt, natuerlich schon auskunschaftet. Sooooo lecker.
Gestern hab ich ein paar emails beantwortet. Da mussten wir erst mal wieder den Filter installieren, damit das ueberhaupt geht. Dann Geduld Geduld Geduld, bis die Anmeldung geklappt hat, manchmal ist das Netz halt sehr langsam. Heute konnte ich mich einmal anmelden, sehen, dass ich zwei Emails bekommen habe….. aber nicht aufrufen/ansehen. Hab mich dann noch vielleicht 8 mal angemeldet, hat aber nicht geklappt. Geduldsuebungen. Atemuebungen. Versuchs gleich noch mal.
Bei facebook ist es aehnlich. Und machmal geht es auch ganz wunderbar.
Und meine SMS ausserhalb vom Iran werden gecheckt. Da hat es 1-2 Wochen alles gut funktioniert. Dann hab ich etwas kritisches geschrieben, allerdings auch nur was, was ich hier gesehen habe, und seitdem kam hier keine sms mehr an, wusste nicht, ob meine sms irgendwo ankommen. Geduld geduld geduld, Atemuebungen….. 🙂
Sind meine Geburtstagsgruesse angekommen, meine Dank sms an 2 Spenderinnen….. Ich muss dann alles nochmal ueberpruefen……
Seit 2 Tagen kommen nun einige sms aus Deutschland wieder hier an, aber kommen meine sms irgendwo an……?????
Gestern gab es hier landesweite Demos, zum 36. Jahrestag der Gruendung der Islamischen Republik Iran. Traditionsgemaess gibt es jedes Jahr Demonstrationen. In dieser Stadt haben ungefaehr 800 Maenner und Frauen teilgenommen. Erst die Maenner, dann die Frauen. LehrerInnen sind zB. verflichtet teilzunehmen, nehme an auch Regierungsmitarbeiter. Das war dann doch nicht so furchteinfloessend und ‚eindrucksvoll‘, wie ich es vermutet hatte. Zum Glueck.
Fuer mich passt eh dass, was mir hier begegnet an wunderbaren Menschen und Aussagen nicht zusammen, mit dem, fuer das demonstriert wird. Komme mir vor, wie in 2 Filmen gleichzeitig.
Innerhalb Iran funktioniert es alles ganz gut mit den sms.
Da erfahre ich, das der gute Farzin, 45, der Tourismuschef, einen Herzinfakt erlitten hat. Sowas….. ein Gerinsel in einer Herzarterie….
Ich gruesse euch weiterhin von Herzen
Thomas
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