Unterwegs in Jordanien

Thomas schreibt:

Intensive Erfahrungen!!!!!
Und es ist mal wieder so, dass ich fast nicht weiss, wo anfangen.
Eine Woche unterwegs auf den Strassen von Jordanien, und mit all den Begegnungen.
Gut, dass ich schon Erfahrung mit vielen intensiven Kontakten in kuerzestes Zeit habe.
Jordanien, eine Woche Amman, und eine Woche auf den Strassen, das ist eigentlich zu kurz, um ein Land zu erfahren. Auch wenn Jordanien eigentlich gar nicht mein Ziel war, auf dieser Reise. Wirklich gut, auch dieses Land besucht zu haben. Und ich kann mir gut vorstellen, z.B. in Hoehe des Toten Meeren nochmal nach Jordanien zu gehen, vielleicht fuer 2 Wochen und schliesslich im Sueden, Hoehe Elat/Aqaba, noch einen weiteren Abstecher zu machen. Auch schon alleine im Sinne des Friedens und des Verbindens der Laender, Loecher in die Grenzen zu machen.
Allerdings, es sind immer einige Luecken da, da ich, wie auch gestern, die Grenze nicht koplett begehen konnte. Gezwungenermassen musste ich ein Taxi (2km) auf jordanischer Seite nehmen, dann meine Formalitaeten erledigen, einen Bus fuer die naechsten 500 Meter nehmen, die Prozedere auf israelischer Seite vollziehen, um wieder per Pedes unterwegs sein zu duerfen. Und wie gerne waere ich diese 2-3 km gegangen, alleine schon der „Szenenwechsel“ auf beiden Seiten. Kommt mir vor, ich haette einen Flug zwischendrin hingelegt, so unterschiedlich fuehlen sich die Seiten an. Auch wegen einer so unterschiedlichen Kultur.

Am letzten Abend in Amman, gibts noch ne kleine Party. Die Jungs wollen in einen Club, und versammeln sich nach und nach in unserer WG. Und da treffe ich auch noch jemanden, Namen leider vergessen, ein Palaestinenser. Er ist in Muenster aufgewachsen, und war auch schon mal in meiner Heimat ‚Reckenfeld“ auf dem Sportplatz, hat dort Fussball gespielt. Jetzt ist seine Familie nach Jordanien umgezogen, Klebstoffe und Starkkleber werden hier vermarket, die grossen syrienschen Firmen, welche Kunden waren, sind allesamt nach Jordanien umgezogen, zum Glueck, wie er sagt.
Am naechsten Morgen verabschiede ich mich von den verkaterten Genossen Ismael und Ibrahim, Margareta hat ein Meeting und hatte nicht mitgekatert. Schoen, dass ich mit ihnen sein durfte.
Es geht einen halben Tag durch die Stadt, kleiner Bericht am 7.11. weiter unten. Kraeftezehrend!!
Dann entlang der Autobahn.
Von wegen saubere Luft, ausserhalb der Stadt laufe ich durch eine einzige Abgasdunstlaermwolke.

Abends treffe ich in Al Basha ein, erste Bemuehungen um ein Quartier fuehren mich zu einer Familie. Der aeltere Vater beschliesst aber, die Polizei zu rufen, die sollen mich unterbringen. Dauert bis die kommen. Dann werde ich ins Polizeiquartier gefahren. Alle sind so begeistert: Welcome to Jordan!!!! hoere ich immer wieder. Und ich kann es auch fuehlen. Der Abend zieht sich dahin und ich denke so bei mir: Interessantes Abendprogramm. Ich bastele meine Friedensvoegel und fast alle Polizisten bekommen einen 🙂 Zwischendrin taucht dann mal die Frage auf, wo ich denn wohl nachts schlafe, wo heute nacht und ich wundere mich und bekunde, wahrscheinlich bei Euch 🙂 Doch …. das geht nicht und es ist auch keine Loesung in Sichtweite. Die Zeit vergeht, und sobald nach einiger Zeit nur leichtes Unbehagen zeige, dass jetzt, da es Richtung 22 Uhr geht, doch eine Loesung geben sollte, hoere ich sofort wieder: „Welcome to Jordan“ und ich kann diese Herzenswaerme dieser Menschen fuehlen. Sie freuen sich wirklich, dass ich da bin. Danke……
Schliesslich noch ein anderes Polizeiquartier, dann lande ich schliesslich wieder am Rande von Amman in einem Hotel, dort soll und kann ich kostenlos auf einem Sofa in der Hotellobby schlafen. Haeh??? Ok. Die restlichen Polizisten verschwinden, wuenschen mir eine gute Nacht….. und Ismael, Ahmed und Mohammed rufen ihren Hotelmanager an, schliesslich erhalte ich doch noch ein Zimmer. Das leiblich Wohl erfaehrt eine liebe Essensversorgung mit Humus, Brot und Tee.
Als ich den 3en, allesamt clevere Studenten, von dem Friedenspilgerprojekt berichte, erlebe ich etwas sehr aussergewoehnliches. Besonders Ismael und Ahmed verwandeln sich von ihrem Verhalten in sowas wie Dorftrottel. Ihr Verstand kann einfach nicht fassen, was ich da tue. Dieser Zustand dauert etwa 2 Minuten, bis es sich wieder normalisiert. Ich bin einfach nur superverwundert und gewissermassen amuesiert ueber dieses Phaenomen.
Ismael will supergerne in Deutschland studieren, kriegt aber kein Visum.

Am naechsten Morgen fahre ich mit dem Bus bis zu dem Ort, zu dem ich gestern gelaufen bin. Hier sind 150.000 Palaestinenser in einem Fluechtlingslager seit 34 Jahren untergebracht. Allesamt aus Israel geflohen. Ich hab mich nicht verschrieben, oder gar eine Null zuviel hinzugefuegt, oder ein Komma bei den Jahren vergessen. Hundertfuenfzigtausend Palaestinenser seit vierunddreizig Jahren……… Auf allerkleinstem Gelaende. Wie schon aus Libanon erfahren, leben hier ausgewachsene Maenner und Frauen um die 30 Jahre alt, seit ihrer Geburt…….
Das ist wirklich nicht normal.
Es muss einen Grund geben, warum diese Menschen aus ihrer Heimat Israel/Palaestina geflohen sind und nicht zurueckkehren koennen – und dies werde ich immer mal wieder in Israel/Palaestina erwaehnen. Ist ja nicht wirklicher Frieden, wenn es so viele Fluechtlinge gibt, die auf dem jetzt „friedlichen“ Territorium Israel/Palaestina nicht sein duerfen, fuer die es hier keinen Platz mehr gibt. Und in ganz Jordanien leben insgesamt 800.000 Palaestinenser und deren Nachkommen. Denkt man bei den Friedensverhandlungen, die momentan laufen, auch noch an die schon Geflohenen, oder geht es nur um den Frieden bei den jetzt hier lebenden Menschen.
Ich werde mehr und mehr verstehen, von Woche zu Woche…………….

Den ganzen Tag an der stinkenden, lauten Autobahn entlang, komme ich am spaeten Nachmittag an ein kleines nicht ganz provisorisches Autobahnrestaurant. Hier gibt es eine tolle Sicht in das Tal zu einem See, einem kleinem Staudamm, der das wenige Wasser, was hier ueberwiegend im Winter faellt, auffaengt. Bei der tollen Aussicht vergesse ich glatt fuer einige Momente die alles ueberlagernde Lautstaerke im Hintergrund. Ein yeminitischer gestrandenter laedt mich ein, er ist auf dem Weg nach Libanon hier haengengeblieben, hat kein Visum fuer den Libanon bekommen, seit 8 Monaten. Hier arbeitet auch ein Aegypter und Hussein, mein Gastgeber. Hussein, 27, hat noch nie das Land verlassen. Er arbeitet 12 Stunden, 6 Tage die Woche hier und schlaeft sogar auch 6 Naechte im Restaurant und Kiosk, 1 mal die Woche geht es in sein Reich und heute fuer mich als Gast, faehrt er auch nach Hause. Seine Schwaegerin, die ich gar nicht zu Gesicht bekomme, kocht fuer uns. Er spart fuer eine mindestens einjaehrige Reise und hier gibt es auch das Visaproblem. Es ist eine Schande. Er soll nicht zu lange warten, empfehle ich ihm und ich glaube, es geht auch bald los. Aegypten ist wohl ein erstes Ziel fuer 2 Monate. Ich wuensche mir, dass ich spaeter, sollte ich mal wieder an einem Ort leben, solche Menschen finde, die sich ihre Traeume verwirklichen, entgegen allen normalen Gewohnheiten und es hoffentlich ueberall dorthin schaffen, wohin sie wollen, um ihnen einige Tage ihre Traeume zu schenken.
Am naechsten Morgen fahren wir zurueck zu seinem Arbeitsplatz und meinem Startpunkt fuer den Tag. Er gibt mir noch ein kleines Bild von sich als Erinnerung mit und seine emailadresse: huseinmarzog@gmail.com oder huseinmarzoq@gmail.com und vielleicht hat ja jemand von euch Lesern Lust, ihm eine Nachricht zu schicken, mit ihm zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass er sich richtig freut.

Es geht ueber Jarash – alte roemische Stadt mit entsprechenden beeindruckenden Ausgrabungen – wo ich Mohammed treffe. Er hat ebenfalls einen Traum. Er will nach England auswandern, auf jeden Fall weg von hier. Jetzt pflegt er, nach einem Jahr Arbeit in Saudi Arabien, erst mal seine Eltern. Mohammed ist ausgesprochen wissbegierig, ebenfalls 27 und Englischlehrer. Seine Strategie ist, sich immer in Jarash nachmittags aufhalten, mit Touristen ins Gespraech kommen, und irgendwie hoffentlich mal jemand zu finden, der ihm hilft, das Land zu verlassen, hier gibt es keine Zukunft fuer ihn. Wir haben die naechsten 24 Stunden intersive Gespraeche ueber die Moeglichkeiten der Arbeit in Europa und ueber das Leben in Deutschland. Gerne wuerde er auch jemanden dort heiraten, wie funktioniert das, es muss nicht muslimisch sein. Auf jeden Fall will er nicht wieder zurueck, wenn es soweit ist, und er moechte auch noch weiter studieren. Schliesslich geht es auch um Religion, und ich bin ja sehr interessiert, fuehle mich aber etwas zu sehr fast missioniert.
Fast schon nachmittags verlasse ich die einzige bewaldete Gegend in Jordanien. Gestern war ich an einer Stelle vorbeigekommen, wo die Jordanier gerne im Schatten picknicken. Jedoch leider ihren Plastikmuell nicht mitnehmen. Es ist zum Weinen.
Wenn du Mohammed kontakten moechtest, er wartet nur so auf West-Kontakt, ueber  https://www.facebook.com/moh.baniomer  freut sich bestimmt riesig.

Durch die Berge, bis 1300 Meter hoch, ueber Ajlun lande ich abends bei Sala, einem sooooo freundlichen Menschen. Er ist aus Aegyten und hat schon im Libanon, Abu Dabi, Saudi Arabien, etc. gearbeitet, immer in Restaurants. In Jordanien geht das nicht so gut, der Verdienst ist zu klein, hat er einfach eine Farm gemietet, und zieht 3-4 mal 9000 Huehner auf. Jedes Huhn kann er zwischen 1-1,50 Dinar (1-1,5 Euro) verkaufen. Marktluecke gefunden. Dann aber zurueck zu seiner Frau nach Aegypten, die ist crazy, grinst er….. noch 3 Monate mit ordentlich Kohle in der Tasche.

Abstieg ins Jordantal. Es gibt immer wieder sowas wie Meilensteine. Der letzte war die Ankunft in Beirut. Vor 2 Tagen dann ein Schild: Jordan Valley Border Crossing!!!! Wow. Bis zum Jordan bin ich schon gelaufen. Mittags treffe ich den so netten Ibrahim, der in einem kleinen Shop in Al-Hashmiyya arbeitet, mich zu seinem Vaters home kurz vor Wadi Ar Rayyan vermittelt. Ibrahim versteckt einen kleinen Zopf unter einer Muetze, der ist in seinem Dorf nicht erwuenscht „Nicht akzeptabel“. Wir scherzen ein wenig darueber und er stellt klar: „Fuer Allah ist das kein Problem, das sind die Menschen“
Gerne haette ich mit ihm noch mehr Zeit verbracht, doch er muss bis spaet abends arbeiten. Was fuer ein Netter.
Beim Abstieg umlagert mich ein Horde von Jungs. Aeltere verscheuchen die immer mal wieder, wenn sie mir fast keinen Platz mehr lassen. Die wollen alle nur mal mit nem Deutschen oder Touri in Kontakt sein…… spielen sonst auf einem staubigen Fussballfeld.

Die Einladungen am naechsten Tag, gestern reissen gar nicht ab. Erst zu einem tollen Fruehstueck Humus und Tomaten, Gurken mit lecker Brot und Tee. Sooooo gut. Ich kann immer wieder kommen, wenn ich moechte, und bezahlen muss ich auch beim naechsten Mal nicht. Warum ist er denn in Jordanien, wenn seine Heimat doch Palaestina ist, frage ich ihn. Weil er dort einfach ueberhaupt gar nichts hatte. Hier hat er aus westlicher Sicht auch gar nichts, denke ich so bei mir. Eine alte art Garage, mit einem Kocher, ein paar Poetten, vergammelten (4) Stuehlen und einem abgenutzten Plastiktisch.
Im Jordantal ist es nun wieder, nach den Bergen, richtig warm, trotz Mitte November. Es gibt einen Wasserkanal, der die Felder unterhalb eben diesem versorgt und es gibt reichlich Fruechte, Datteln, Bananen, Orangen…..
Ueberall muss ich stoppen, die Leute sind so freundlich, viele aus diesen Doerfern im noerdlichen Jordantal waren schon in Deutschland und hier und da sprechen mich die Menschen auf deutsch an. Alle wollen einfach mal Kontakt.
Und dann, die Schule ist gerade aus, versammeln sich um mich herum 20, 30, 40 junge Jugendliche. Alle reden laut auf mich ein und mir ist es nach einer Weile einfach zu viel. Wie werd ich die wieder los, wie kann ich ihnen gerecht werden. Manche sind einfach uebergriffig, ruckeln an meinem Rucksack, wollen auf sich aufmerksam machen und einige werfen sogar mit kleinen Steinen. Keiner davon trifft mich und ich bin innerlich auch ganz ruhig.
Was tun? Ich gehe einfach langsam weiter. Aber auch von vorne ist mich der Weg versperrt. Ich schleudere meinen Arm um mich, will wenigsten einen Meter Platz haben. Treffe ein Kind, nicht doll. Verliere nicht meinen Frieden, aber bin mir meiner nicht friedvollen Handlung bewusst. Ich habe trotz meine eigenen Jugenderfahrung ueberhaupt keine Angst. Schliesslich bleibe ich einfach auf einer Mauer sitzen. Aber die Meute ist weiter interessiert. Wasser wird mir angeboten und ich gehe zu einem Haus. Etwa 10 Kinder/Jugendliche haben eine halbe Stunde gewartet und scharren sich wieder um mich. Ich bemuehe mich freundlich zu sein, tatsaechlich sind die alle solche Schaetze und ich freue mich, dass sehen zu koennen. Einer der Aelteren, schon Student, wie sich spaeter herausstellt, mit Stock und kleinem Kaempfergeist, und lautem zweckdienlichem Organ, kaempft mich frei, ich gehe weiter, er folgt mir spaeter. Auch so ein Netter.
Bitte besuche doch mein Haus….. und ich gebe fast nach, aber es waren einfach schon soooo viele Einladungen, die ich heute hatte.

Schliesslich komme ich an die Grenze. Auf der israelischen Seite ist alles sehr westlich. Nicht so staubig. Bewaessert oder mit Plastikrasen abgedeckt. Die Autos muffeln nicht so dolle, die Luft besser. Ueber den Jordan, angekommen in Beit Shean. Die Nacht verbringe ich auf der Terasse von Rutti und Jokov. Die Mutter hat ihrem Sohn ein Teil ihrer Leber transplantieren lassen, selbst jetzt einige Probleme: Wenn ich meinen Sohn jetzt rumlaufen sehe……
Sie meint, ich sei ein Star, was ich da so tue…..

Jordanien, und was ich noch nicht geschrieben habe:
Sooo vielen Menschen auf dem Land moechten reisen, studieren, auswandern. Visaprobleme

Die Jordanien sind stolz auf ihren Koenig. Er hat einen Friedensvertrag mit Israel ausgehandelt. Trotzdem duerfen die Jordanien nicht nach Israel. Frueher hat das Land schon das Westjordanland zugunsten der Palaestinenser abgetreten. Die Menschen streben dem Koenig in Sachen Friedensbemuehungen nach und zeigen gerne seine Bemuehungen. Das schafft auch Stolz und Ansehen als jordanisches Volk.

Von Israel zu Dir
Thomas

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